Kantonsspital Graubünden
Auf einen Kaffee im Kantonsspital Graubünden
Hier geben Mitarbeitende alles für die Gesundheit der Menschen. In einer Kaffeepause erwischen wir die stellvertretende Chefärztin der Gefässchirurgie Simone Hofer und den leitenden Radiologiefachmann Chris Winter und erfahren, warum die beiden genau dieses Spital gewählt haben, wie die OP-Säle der Zukunft aussehen und was die Parallelen zwischen Football-Coaching und Mitarbeitendenführung sind.
Die Nachmittagssonne flutet den Raum. In den Glasfronten des Personalrestaurants spiegelt sich das grandiose Bündner Bergpanorama. Mit Kaffeetassen in der Hand setzen wir uns zusammen an einen Tisch. Die Stimmung ist gelassen, von der Hektik des Alltags für einen Moment keine Spur.
Wird man dieser Aussicht je überdrüssig?
Chris Winter: Nein, zwischendurch wird es einem immer wieder bewusst, wie schön es hier ist. Oder, was meinst du, Simone?
Simone Hofer: Ja, dafür muss ich nicht einmal Pause machen. Vom Waschraum des OPs habe ich eine wunderschöne Sicht aufs Oberland und kann immer wieder meinen Blick schweifen lassen.
Bevor wir uns in dieser Aussicht verlieren: Wie seid ihr im Kantonsspital Graubünden gelandet?
CW: Meine Mutter ist Schweizerin, mein Vater Amerikaner. Nach meiner Ausbildung zum Radiologiefachmann in Boston wollte ich für einen Job nach Australien. Dafür brauchte ich fünf Jahre Berufserfahrung, aber ich hatte erst vier. In Boston hatte ich einen Arzt aus Zürich kennengelernt, der mich motivierte, mein fünftes Jahr in Zürich zu machen. Gleich an meinem ersten Tag im Unispital habe ich meine zukünftige Frau kennengelernt. Sie stammt aus Chur. Ich bin also der Liebe wegen hier.
SH: Bei mir war es gewissermassen auch die Liebe. Mein Mann hat hier die Stelle als Chefarzt in der Urologie bekommen. Ich habe damals im Unispital Zürich meine Ausbildung zur Gefässchirurgin in einer Teilzeitanstellung gemacht. Dieses Teilzeitmodell konnte ich hier glücklicherweise weiterverfolgen und meinen Weg von der Oberärztin zur stellvertretenden Chefärztin gehen.
Bild: links Chris Winter, rechts Simone Hofer
Chirurgie und Teilzeit – das geht?
SH: Teilzeitarbeit wird auch in der Chirurgie immer mehr möglich. Das war früher nicht so. Ich habe mit 60 Prozent angefangen und dann mit der Zeit auf 80 Prozent erhöht. Für mich war dieses Modell sehr wichtig, denn schliesslich habe ich vier Kinder. Diese Möglichkeit, mich beruflich so zu entfalten, hätte ich nicht an vielen anderen Orten gehabt.
CW: Ich merke, wir haben sogar noch mehr Gemeinsamkeiten. Wir haben beide vier Kinder!
SH: Was für ein Zufall! Und wann seid ihr von Zürich hergezogen?
CW: 2009.
SH: Das gibts doch nicht. Wir auch!
Ihr wart vorher beide in einem Grossstadtspital. Was ist euch als Erstes aufgefallen, als ihr hier in Chur angefangen habt?
SH: Die Entscheidungswege sind viel kürzer. Und die Menschlichkeit ist deutlicher spürbar. In anderen grossen Schweizer Spitälern ist es freundlich, aber anonym. Hier kennt und begrüsst man alle mit Vornamen. Es ist familiär. Das merkt man auch bei den Mitarbeitendenevents. Das OP-Personal hat zum Beispiel einmal im Rahmen einer Kochserie für andere Abteilungen gekocht.
CW: Es ist kein «Provinzspital», wie man vielleicht als Städterin oder Städter meinen würde. Im kleineren Rahmen kann man hier Spitzenmedizin anbieten. Dazu kommen die ganzen topmodernen Geräte.
Bild: Chris Winter
Apropos Hightechgeräte: Ihr seid im Spital mitten im Umbau. Was verändert sich für euch?
SH: Für mich hat sich schon jetzt viel verändert. Wir haben Anfang des letzten Jahres den neuen Hybridsaal bezogen, einen Operationssaal mit bildgebenden Anlagen. Das Besondere an diesen Sälen ist, dass die Angiografie-Anlage im Raum integriert ist. Somit findet man hier alles an einem Ort: die sterilen Bedingungen eines OP-Saals für chirurgische Verfahren in Kombination mit der besten Bildgebung und optimalem Strahlenschutz.
CW: Wir von der Radiologie ziehen erst 2026 in unser neues Gebäude. Der ganze Aufbau ist sehr spannend. Ich bin auch am Design des Patientinnen-und-Patienten-Flows beteiligt und merke, dass der Ausbau in erster Linie darauf ausgerichtet ist, die Patientinnen und Patienten noch mehr in den Mittelpunkt zu rücken.
Chris, du leitest im Kantonsspital ein Team von 12 Mitarbeitenden. In deiner Freizeit trainierst du 50 Spieler der Schweizer Football-Nationalmannschaft. Wo ist Führung einfacher?
CW: In einer Football-Mannschaft triffst du vom 20-jährigen Arbeitslosen bis zum 40-jährigen Investmentbanker die unterschiedlichsten Menschen auf dem Platz. In der Radiologie ist die Gruppe schon homogener. Es ist also hier schon wesentlich einfacher zu führen als auf dem Sportplatz.
Mir fällt auf, dass hier im Restaurant ein riesiges skizzenhaftes Wandbild hängt, das sich an der Decke grossflächig fortsetzt.
SH: Ja, das gehört beides zu «Prima Cucina» von Zilla Leutenegger. Das ist das Siegerprojekt des «Kunst am Bau»-Wettbewerbs, den ich betreut habe. Ich bin hier nämlich nicht nur in der Gefässchirurgie, sondern auch in der Kunstkommission tätig.
Pinsel statt Skalpell also?
SH: (lacht). Klar, ab und zu. Jetzt kuratieren wir gerade eine Mitarbeitenden-Ausstellung (zeigt auf ein expressives, abstraktes und farbiges Gemälde). Dieses Kunstwerk ist zum Beispiel von einer Kollegin, einer Handchirurgin.
Das Restaurant des Kantonsspitals Graubünden setzt unter anderem auf Front-Cooking. Chris Winter empfiehlt, es unbedingt auszuprobieren, denn: «Es gibt eigentlich keinen Tag, an dem ich nicht sofort denke: Das möchte ich probieren.» Doch dafür bleibt jetzt keine Zeit mehr. Die Kaffeetassen sind leer. Die Sonne verschwindet langsam hinter den Berggipfeln. Und das Panorama für die Besucherin aus dem Unterland ist zu schön, um kein Foto zu machen.